Elefant & Ente und Daumenkino
©Friedrich Streich (Mit freundlicher Genehmigung von Armin Maiwald - FLASH Film)

 

"Die Partner als dramaturgisches Prinzip" von Friedrich Streich

Die Partner-Situation trägt den Keim für eine drama­tische Handlung schon in sich. Durch den Kontrast der verschiedenen Charaktere entwickelt sich in vielen Maus-Geschichten eine dramatische Handlung von selbst.

Das Partner-Verhältnis schafft Probleme zunächst im freundschaftli­chen, sozialen Bereich. Maus und Elefant erleben oder unternehmen etwas gemeinsam als Partner, und da der Elefant nicht alles so kann wie die Maus, spielt die Maus dabei häufig die Rolle des gros­sen Helfers und Beschützers. Das liebevolle Mit­einander ist in diesen Geschichten ausgebaut. Von einer dramatischen Situation kann hier allerdings kaum gesprochen werden. Hier spielt vielmehr ein part­nerschaftlicher, sozialer Effekt eine wichtige Rolle. Beispiele: Die Maus gibt dem Elefanten etwas von ihrem Eis ab. - Sie stellt ihn einfach auf Räder und zieht ihn hinterher, wenn er mit ihren grossen Schritten nicht mehr mithalten kann. - Sie schreibt ihm einen Brief, damit er auch einmal Post bekommt. - Oder die Maus steckt den Elefanten einfach in ihren Koffer, wenn er kein Geld für die Fahrkarte besitzt.

 

Der Auftritt des Elefanten hat das dramaturgische Grundmuster der Geschichten zwangsläufig verändert. Oft löst die Maus ihre Probleme nicht mehr selbst, sondern mit dem Elefanten zusammen oder gar durch den Elefanten. Zum Beispiel klebt sie die Tapete mit Hilfe des Elefanten an die Zimmerwand. - Den Garten kann sie nur giessen, wenn der Elefant das Loch im Schlauch zu­hält. - Das Rad am Auto wechselt sie mit Hilfe des Elefanten als Wagenheber aus. - Über die Schlucht kommt sie nur auf dem langen Elefantenrüssel.

Zu einer dramatischen Situation kommt es erst, wenn durch die unterschiedlichen Charaktere der Figuren ein Konflikt entsteht. Durch den trampeligen Ele­fanten bekommt die Maus Probleme, die sie alleine nicht hätte. Aus dem Miteinander wird ein Gegenein­ander. Die Partnerschaft bringt damit auch Schwierigkeiten.

Der Elefant zeigt sich als Spielverderber, wenn er in seiner naiven, trampeligen Art auftaucht. Dann zerstört er - zwar unabsichtlich und unwissend - etwas, was die Maus gerade geschaffen hat. Die Maus wird ärgerlich und schimpft. Dem Elefanten tut sein Ungeschick sehr leid und er beginnt, die Sache mit seinem Talent und auf seine Weise wieder in Ord­nung zu bringen. Oder er versucht es wenigstens, wo­durch die Sache freilich noch schlimmer werden kann. Beispiele: Wenn der Elefant den soeben von der Maus gemalten Zierrahmen niedertrampelt, bringt er ihn mit einer Schleuderbewegung wieder in Ordnung. - Der Ele­fant will der Maus eine Freude machen und rupft die Blumen aus, die sie gerade angepflanzt hat, um sie ihr zu schenken. - Der Elefant stolpert über die Zeltschnür und das Zelt fällt zusammen; er bläst es der Maus wie­der auf. - Der Elefant trampelt im oberen Stockwerk vorbei, so dass der Lampenschirm, den die Maus gerade aufgehängt hat, wieder herunterfällt.

Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, dass die Maus dem Elefanten ins Gehege kommt. Zum Beispiel, wenn sie den Ballon des Elefanten kaputt macht, bläst sie ihm aus den Ballonfetzen zwei kleine neue Ballons auf. - Wenn die Maus die Torte zerstört, die der Elefant gerade dekoriert hat, dann gibt es eine Tortenschlacht.

Die Maus ist mehr als einmal auf die Schlitz­ohrigkeit des Elefanten hereingefallen. Zum Beispiel, wenn sie ihr ganzes Geld in einen Glücksauto­maten wirft, und der Elefant dann mit dem Gewinn aus dem Kasten davon marschiert. - Oder wenn die Maus sich fotografieren will und immer nur Elefantenbilder aus dem Apparat kommen. - Oder wenn die Maus mühselig eine Banane schält und der Elefant schliesslich die Banane der Maus vor der Nase wegschnappt.

Eine dramatische Steigerung dieses Konfliktes ist, wenn der Elefant als echter Störenfried auftritt. Wie bei jeder Partnerschaft kann es auch zwischen der Maus und dem Elefanten einmal zu Rei­bereien kommen. Dann werden sie zu Gegen­spielern. Zum Beispiel, wenn beide zur glei­chen Zeit verschiedene Dinge tun wollen und sich da­bei gegenseitig stören. Der Elefant unternimmt etwas und stört oder belästigt damit die Maus, die gleich­zeitig etwas anderes tut, oder tun will. Daraus entsteht ein Konflikt, der nach einigem Hin und Her durch einen raffinierten Einfall gelöst wird. Im Glücksfall können dann beide - Elefant und Maus - ungestört ihren verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. Beispiele: Der Elefant spielt Pauke, während die Maus lesen will. Der Maus bleibt nichts anderes übrig, als sich die Ohren zuzubinden. - Weil die Maus durch das laute Schnarchen des Elefanten nicht einschlafen kann, steckt sie ihm kurzerhand einen Korken in den Rüssel. Durch den Druck des Schnarchens wird der Stöpsel aus dem Rüssel gepresst und trifft wiederum die Maus. - Die Maus will ein Grammophon spielen, aber der Elefant benützt den Trichter als Trompete. - Der Elefant schnappt der Maus das ganze Essen vom Tisch, aber am Schluss hocken sie beide gemeinsam unter dem Tisch und schmatzen.

So endet fast jede Auseinandersetzung im kamerad­schaftlichen Frieden. Oder spätestens im nächsten Spot ist alles zwischen den Partnern wieder in bester Ord­nung. In all diesen Handlungsführungen zeichnet sich deutlich eine Dramaturgie ab, die sich aus dem sozialen Zusammenspiel und den verschiedenen Charakteren der Figuren entwickelt. Ja, viele Geschichten und Handlungen kommen recht eigentlich erst durch den Kontrast und die unterschiedlichen Anlagen der "handelnden Personen" Maus und Elefant in Gang.

© Friedrich Streich, „Analyse der Maus-Filme“ / März 1981

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